„Unseren gefallenen Helden…“: Vortragsveranstaltung Kriegerdenkmal in Liedingen 100 Jahre
Am Volkstrauertag werden dort jedes Jahr Kränze niedergelegt und Reden gehalten – das ist eine sehr kurzfristige Hauptrolle für unser Kriegerdenkmal -oder auch Ehrenmal- im meist trüben Novemberwetter, die auch immer weniger Zuschauer bekommt.
Wer kann auch noch etwas mit den Namen der Gefallenen z.B. des 1. Weltkriegs anfangen? Anfangs waren es noch persönliche Erinnerungen an Väter, Söhne, Brüder, Ehemänner und Freunde, aber diese Generationen sind inzwischen auch schon Geschichte und nur die nackten Namen und Todes-Daten bleiben.
Das Liedinger Denkmal für die Gefallenen und Vermissten des 1. Weltkriegs wurde am 14. Juni 1925 offiziell eingeweiht – diesen Jahrestag nehmen der Bürgerverein „Wir für Liedingen“ e. V. und die Ortsheimatpflege Liedingen zum Anlass, die Geschichte der Kriegerdenkmale, die Hintergründe für ihre Aufstellung, insbesondere aber die Biographien und näheren Todesumstände der dort aufgeführten Personen zu erforschen und wieder in das Bewusstsein zu rufen – gerade angesichts des aktuellen Zeitgeschehens.
Die erste, gut besuchte Veranstaltung dazu fand am 12. Juni im Dorfgemeinschaftshaus statt, eingeleitet vom Bürgervereinsvorsitzenden und Ortsheimatpfleger Axel Richter, der noch einmal die oben genannte Zielrichtung erläuterte und auf die folgenden drei Vorträge vorbereitete. Unser Ortsbürgermeister Benno Schünemann machte in seinem Grußwort kurz deutlich, wie wichtig Geschichtskenntnis für jetziges und zukünftiges Handeln ist.
Der Historiker Dr. Hans-Ulrich Ludewig schilderte dann in knappen, prägnanten Worten den geschichtlichen Hintergrund der Denkmalsetzung: Die politische Entwicklung von 1918 – 1925 in der Weimarer Republik und speziell im Braunschweiger Land.
Der folgende Vortrag von Dr. Eyke Isensee (Historiker und Kunstwissenschaftler) beschäftigte sich mit den vielfältigen Formen der Kriegerdenkmale allgemein und besonders im örtlichen Umkreis. Meist aufgestellt in der Nähe der Kirche oder des Friedhofes, als Einzeldenkmal oder als Gruppe in einem Ehrenhain, vom gestalterischen Ausdruck her gibt es eine große Bandbreite: Demut der Überlebenden, Trauer um die Toten, Mahnung an die Lebenden, Heldenverklärung, die besonders in der nationalsozialistischen Zeit immer pathetischer wird.
Nach dieser allgemeinen Einordnung berichtete Axel Richter über den Forschungs-Stand zum Liedinger Kriegerdenkmal, beginnend mit einem zeitgenössischen Zeitungsartikel zur Einweihung: „Anschließend an den Festgottesdienst in der Kirche fand der Weiheakt statt. Gesangverein und Schule hatten sich zusammengetan, um durch Gesang und Vortrag die Feier zu verschönen. Die Weiherede hielt Pastor Kornhardt. Sie knüpfte an die klassischen Worte. „Wanderer, wenn du nach Sparta kommst, erzähle dorten, du habest uns hier liegen gesehen, wie das Gesetz es befahl!“ Die Gemeinde sang darauf mit Musikbegleitung das Lied: „Ich hatt‘ einen Kameraden“, während die Ehrensalven über den alten Kirchhof rollten. Kränze wurden von beiden Landwehrvereinen, vom Stahlhelm, vom Königin-Luise-Bund, von der Freiwilligen Feuerwehr, vom Gesangverein, von der Gemeinde und der Schule und von den Angehörigen der Gefallenen niedergelegt. Herr Ehlers sprach den Dank der Angehörigen aus. Darauf übergab Herr Nolte im Auftrage des Denkmalausschusses das Ehrenmal an den Gemeindevorsteher.“ (Artikelauszug aus Braunschweiger Allgemeiner Anzeiger 18. Juni 1925).
Zitat Axel Richter: „Am Tage der Einweihung des Denkmals war die Erinnerung an die darauf verzeichneten Personen noch frisch. Das Ende des Krieges lag erst sieben Jahre zurück, die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen waren nach wie vor zu spüren. Der Sprachduktus ist pathetisch und nationalistisch, es sind ‚Helden‘, derer man mit diesem Denkmal offiziell gedenkt, nicht Vätern, Söhnen, Brüdern, Ehemännern und Freunden. In den offiziellen Reden wird das sich hinter dem Tod dieser Menschen und ihrer Angehörigen verbergende Leid ausgeklammert.“
Ergänzend zum Liedinger Weihe-Akt wurde die Einweihung des Köchinger Ehrenmals in einem Bericht des Pastor Demmer zitiert – in ähnlich pathetischer Sprachform.
Weitere Themen seines Vortrags waren die äußere Gestaltung, die Tradition der Kranzniederlegungen, der besondere Status im Dorf (Tabuzone für Kinder) und die ergänzende Gestaltung nach dem 2. Weltkrieg. Auf dem Denkmal zusätzlich angebrachte Bronzetafeln mit den Namen der Gefallenen und Vermissten des 2. Weltkriegs lösten einen kurzzeitig vorhandenen Ehrenhain auf dem Kirchengelände ab.
Auf Einzelschicksale der aufgeführten Personen auf dem Denkmal soll in weiteren Veranstaltungen, z. B. am Volkstrauertag, eingegangen werden.
Zitat Axel Richter: „Wir wollen ins Bewusstsein rufen, dass hinter jedem Namen eine Person steht, die durch den Krieg aus ihrem Alltag herausgerissen wurde, ihr Leben unter fürchterlichen Umständen in einem sinnlosen Krieg verloren hat, und die dann gefehlt hat in ihrer Familie und in der Gemeinschaft unseres Dorfes. Daran zu erinnern, ist heute vielleicht wichtiger denn je.“